Verortet in der Sprache: Gershon Shofmans literarisches Netzwerk

Online-Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe: Sprachen des Archivs: Von Mehrsprachigkeit und Vielortigkeit

30.03.2023
18:00 - 20:00
Eine Kooperationsveranstaltung des Centrums für Jüdische Studien und des Instituts für Germanistik der Karl-Franzens-Universität Graz
Zoom
wird noch bekannt gegeben
Anmeldepflichtig
Anmeldung bis 29.03.2023, 12:00

Die interdisziplinär angelegte Vortragsreihe befasst sich mit Archiven und Nachlässen der deutschsprachig-jüdischen Literatur und Kultur sowie deren europäischen und transatlantischen Dimensionen. Thematisiert werden dabei insbesondere die Aspekte der Mehrsprachigkeit, Zerstreutheit und Vielortigkeit der Archive – und damit auch ihre Fragilität.

An Beispielen von Privatarchiven und Autor:innenbibliotheken werden archivtheoretische und überlieferungsgeschichtliche Fragen diskutiert: Wer lässt die mehrsprachigen Nachlässe auf welche Weise sprechen? Wie agiert Sprache als Medium zwischen Repräsentanz und Metapher? Wie interagieren die Medien Bild und Schrift? Wie funktionieren ganz materielle und räumliche Verbindungen innerhalb von Nachlässen? Und schließlich: Wie gestaltet sich das Verhältnis von öffentlichen Sammlungen und Mikroarchiven in Bezug auf Sichtbarkeit, Zugänglichkeit und staatliche Förderung?

Im Fokus der Vorträge stehen: die Autorin Anna Seghers (Netty Reiling) und ihre Privatbibliothek, die sie ins französische Exil begleitete; der Nachlass des hebräischsprachigen Schriftstellers und Netzwerkers Gershon Shofman, der bis zum „Anschluss“ 1938 in Österreich lebte; der Sammler Desider Stern, der nach der Shoah ein Archiv deutschsprachig-jüdischer Autor:innen in Wien schaffen wollte; außerdem Privatalben jüdischer Familien, in denen Fotografien der eigenen Wohnung angesichts der existenziellen Bedrohung als intime Orte des Zuhauses aufscheinen.

Der Vortrag begibt sich auf Spurensuche nach den vielsprachigen literarischen Spuren Gershon Shofmans. Der hebräische Schriftsteller, der in den 1920er und 1930er Jahren in der Nähe von Graz lebte, pflegte ein weites Netzwerk. Verbunden war er selbstverständlich vor allem mit anderen Mitstreiter*innen für die neue hebräische Literatur: Autor*innen, Herausgeber* innen und Verleger*innen. Auf den ersten Blick scheint ihm dieses Netzwerk literarische Heimat gewesen zu sein.

Betrachtet werden aber gerade auch jene Aspekte, die auf eine literarische Heimat zwischen den Sprachen und Orten schließen lassen. Dazu gehören unter anderem Shofmans Übersetzungstätigkeiten aus dem Russischen und Deutschen. Inwiefern das vielsprachige Schreiben ebenfalls Heimat wurde, soll im Vortrag kritisch hinterfragt werden.

Vortrag: Judith Müller (Frankfurt am Main)

Kommentar: Gerald Lamprecht (Graz)

Moderation: Olaf Terpitz (Graz)

Judith Müller forscht zur Rezeption hebräischer Literatur im deutschsprachigen Raum und zur hebräischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. 2022 wurde sie mit einer Arbeit zur Perzeption Europas in der hebräischen Literatur 1890-1938 an der Universität Basel und der Ben Gurion Universität des Negev promoviert. Von 2018 bis 2022 war sie Assistentin für Jüdische Literatur am Zentrum für Jüdische Studien in Basel.

Gerald Lamprecht, Professor für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte sowie Leiter des Centrums für Jüdische Studien der Universität Graz.

Olaf Terpitz, PD Dr. phil., Literaturwissenschaftler und stv. Leiter des Centrums für Jüdische Studien der Universität Graz.

Für die Konzeption der Reihe verantwortlich:

Birgit Erdle (Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte, Technische Universität Berlin), Anke Jaspers (Institut für Germanistik, Universität Graz), Gerald Lamprecht (Centrum für Jüdische Studien, Universität Graz), Anne-Kathrin Reulecke (Institut für Germanistik, Universität Graz), Olaf Terpitz (Centrum für Jüdische Studien, Universität Graz).